Buch mit 265 Seiten, 190 Abbildungen: Geschichte, Entwicklung zum Touristenort, Berglandwirtschaft, Vereine, Brauchtum, die Wasserleiten, Kirche u. Kapellen, Grächner Persönlichkeiten Bezug: Reinhard WalterTel. 027 956 15
In vier umfangreichen Kapiteln wird die Geschichte Grächens von der Bronzezeit bis zur Entwicklung zum heutigen Touristenort, die Lebensweise der Bergbauern als Selbstversorger, ihr Brauchtum und ihr gesellschaftliches Zusammenleben beschrieben.
Kulturhistorisch wichtige Erkenntnisse liefern die Baugeschichten der vier „Wasserleiten“ (traditionelle Bewässerungssysteme), der Walliser Häuser und der Kirche mit ihrer barocken Ausstattung.
Das Buch enthält ebenfalls Biografien von herausragenden Grächner Persönlichkeiten.
Die einzelnen Texte beinhalten zahlreiche amüsante Anmerkungen sowie Zitate von verschiedensten Autoren. Die Texte sind unterhaltsam und leicht verständlich.
Einige Text Auszüge:
Engländer erlegen ein Huhn (Touristen entdecken Grächen)
Die ersten Ausländer, die nach Grächen kamen, waren vermutlich Engländer. Moritz Tscheinen, (von 1856 bis 1889 Pfarrer von Grächen) berichtete in seinen Tagebüchern von drei Engländern, die Ende August 1858 zwei Hühner (Auerhühner?) erlegten. Sie waren aber nicht beim Pfarrer, sondern beim Dorfwirt einquartiert. Laut der Familienchronik von Rudolf Schnidrig wirtete um 1856 ein Johann Josef Schnidrig im 3. Stockwerk des alten Gemeindehauses. Im September 1859 weilte eine ebenfalls englische Familie im Dorf. Pfarrer Tscheinen notierte, die jüngere Tochter habe sich auf Deutsch mit ihm unterhalten. Wie in Zermatt waren also auch in Grächen Engländer die Vorboten des zukünftigen Touristenstroms.
Café zum See prima Znüni und Zvieri (Touristen entdecken Grächen)
Theodor Andenmatten errichtete 1930 am Grächnersee ein Kaffeehäuschen, für das er eine Konzession für 12 Sitzplätze besass. Auf dem Schild stand: „Café zum See, prima Znüni und Zvieri.". Die Gäste wurden unter anderm mit Trockenfleisch und „Hamma" aus Eigenproduktion und mit Schlagrahm, den man zusammen mit Biskuits servierte, verwöhnt. Ab 1937 betrieb dann die Familie Othmar und Josefine Andenmatten Ruf im Bärgji im Sommer während dreier Monate eine weitere kleine Wirtschaft. Die Gäste sassen an rohgezimmerten Tischen im Freien und wurden von „Tschotschi" (Josefine) mit Raclette vom Holzfeuer und Fendant verwöhnt. Heute ist das neue Restaurant Bärgjialp ein beliebtes Gourmetrestaurant.
Erste Tageskasse der Sesselbahn: 1 Franken und 50 Rappen (Wintertourismus)
Kurz nach der Betriebsaufnahme, am Stephanstag 1958, gab es wohl eine kleine Enttäuschung für die Betriebsleitung. Der hoffnungsvoll hinter dem Schalter postierte LGH-Angestellte verkaufte an diesem Tag ein einziges Billett einfache Fahrt und erst noch mit Ermässigung für Einheimische. Nur gerade Dachdeckermeister Meinrad Amstutz (1921–1978) konnte sich an diesem Wintertag dazu aufraffen, das neue Transportmittel zu benützen, das der Schlüssel zur nachfolgenden, erfreulichen touristischen Entwicklung der Station sein sollte. Er fuhr zur Hannigalp hinauf, holte dort Brennholz und brachte dieses mit dem Hornschlitten ins Dorf zurück. Tageskasse für die LGH AG: Fr. 1.50. (Auszug Jubiläumsschrift 25 Jahre LGH). . .
Bis nach Visp zur Sonntagsmesse (Kirche und Pfarrei)
Um 1400 bestand das Wallis aus 14 Grosspfarreien, die meisten davon, so auch die Pfarrei Visp, entsprachen in etwa den Amtsbezirken (Zenden) des Fürstbistums Sitten. Damals gehörte Grächen als Kaplaneifiliale zusammen mit Embd, Törbel, Staldenried, Stalden und Eisten als so genanntes „Staldenerviertel" zur Grosspfarrei Visp. Letztere wird erstmals 1214 urkundlich erwähnt, ihre Gründung dürfte jedoch ins 10. oder 11. Jahrhundert zurückgehen. Als der Pfarrer von Visp 1297 den Leuten von Grächen, Saas und Stalden ein Ölgilt von einem halben Sester (Geldwert) als Abgabe an die Kirche von Visp erliess, werden in diesem Dokument die drei Pfarreien als „participes illorum de Staldun" (Mitbewohner jener von Stalden) bezeichnet. Die Bewohner von Grächen mussten der Mutterkirche von Visp danach noch weiterhin verschiedene Abgaben entrichten. So anerkannten sie zum Beispiel 1457, dem Pfarrer von Visp ein Korngilt von 7½ Fischel zu schulden. Laut einem Dokument vom 31. Januar 1431 war der Pfarrer der Zehndenkirche von Visp dagegen verpflichtet, zur seelsorgerischen Betreuung der Filialpfarreien seines Kirchspiels drei Kapläne zu beschäftigen . . .
Viel Zeit für den Herrgott (Kirche und Pfarrei)
Die Religion spielte früher im Leben der Bergbevölkerung eine zentrale Rolle. Die meisten der nachfolgend beschriebenen, streng religiösen Gepflogenheiten praktizierte man bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts.
Es war selbstverständlich, dass am Sonntag Erwachsene, Jugendlichen und schulpflichtige Kinder die heilige Messe besuchten. Die Frühmesse fand bereits um 6.00 Uhr statt, das Hochamt meist um 9.00 Uhr. Dazwischen nahm der Pfarrer die Beichte ab. Im Sommer gab es einmal im Monat nach dem Hochamt einen „Umgang", eine Prozession mit dem Allerheiligsten und mit Kreuz und Fahnen rund um die Kirche. Die Gläubigen beteten dabei den Rosenkranz. Zum Abschluss erteilte der Pfarrer in der Kirche mit der Monstranz den eucharistischen Segen. Wer Zeit fand, besuchte auch an den Wochentagen die Messe. . .
„Pfuscher und Lauser können wir keine gebrauchen" (Neubau der Kirche 1935)
Am 17. März 1935 stellte die Bauführung endlich bezahlte Arbeiter an, die beim Bau der Kirche mitwirken durften. Dabei ging man nicht unbedingt zimperlich vor, und Pfarrer Venetz entpuppte sich als äusserst kostenbewusster Bauherr. Eine Anstellung war an mehrere Bedingungen geknüpft: „Wer wollte und vernünftig war, konnte arbeiten. Wo wir aber tüchtige Arbeiter brauchten, konnten wir keine Pfuscher und Lauser brauchen, die nicht vorwärts kommen."
Kinder singen das Vaterunser (Kirche und Pfarrei)
Bereits vor der Gründung eines Kirchenchores als Verein mit eigenen Statuten im Jahr 1895, wirkten Sängergruppen bei den Gottesdiensten mit. Auf der Empore der früheren Kirche stand auch seit jeher eine Orgel, die vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammte. In den Aufzeichnungen von Pfarrer Tscheinen (1856–1889 in Grächen) findet man folgende Hinweise den Kirchengesang betreffend: „Ich lehrte die Kinder das Vaterunser singen"; und „Bei der Maiandacht sangen zwei Mädchen auf der Empore die Muttergotteslitanei". Im Jahr 1892 begannen Männer aus der damals bestehenden kirchlichen Sängergruppe mit dem Brauch des Nujahrsumsingens. . .
Der Trachtenverein, Bewahrer des traditionellen Kleides (Kultur und Brauchtum)
Im März 1940 schlossen sich auf Initiative der Hoteliersfrau Monika Fux Williner (1896 –1955) vom Kurhaus Grächen [heute Grächerhof] 14 Frauen und Töchter zu einer Trachtengruppe zusammen. Pfarrer Venetz schildert die Gründung so: „Frau Monika Fux Williner vom Kurhaus nahm die Trachteninitiative zur Hand. Immer wieder hab ich darauf gepocht, ohne Erfolg. Jetzt, da die Frauen und Töchter die Sache selber an die Hand nehmen, könnte ein Erfolg beschieden sein. [...] Wie schön wäre es, wenn einmal die miserable „Jelmolifirlefanzerei" verbrannt werden könnte." Man muss wissen, dass damals viele Frauen in den Bergdörfern ihrer traditionellen, handgefertigten Bauernkluft überdrüssig waren und beim Versandhaus Jelmoli in Zürich modische Kleider bestellten.
Thomas Platter, ein Humanist aus den Bergen Als Verdingbub in Lebensgefahr
In seiner Lebensbeschreibung gibt Thomas Platter den 10. Februar 1499 als Geburtsdatum an. Als Geburtsort galt seit jeher der Weiler Blattu unterhalb Niedergrächen. An seinen Vater Anthoni konnte er sich nicht mehr erinnern, denn der starb auf einer Reise im Bernbiet an der Pest, als er dort Wolle einkaufen wollte. Er wurde in Steffisburg begraben. Die Mutter heiratete bald darauf wieder und verliess das Dorf. Der kleine „Thömeli" wurde abwechslungsweise von verschiedenen Verwandten aufgezogen. Als der Knabe vier Jahre alt war, spendete ihm der Bischof und spätere Kardinal Mathäus Schiner die Firmung. Firmpate war sein Vetter Anthoni Platter, der damals für kurze Zeit als Priester in Grächen wirkte.